Gott bewahre

Autor/in
buchhandel.de

Was soll ich von diesem Buch nur halten? Was soll ich darüber schreiben? Es ist schwierig. Auf der einen Seite ist es ein gutes, ja sogar sehr gutes, engagiertes gesellschaftskritisches Buch. Darüber, wie wir Menschen uns in Habgier und gegenseitiger Verachtung begegnen. Darüber, wie das Geld über der Mitmenschlichkeit steht, besonders herausgearbeitet am Beispiel der Casting-Show „American Irgendwas“, hab schon wieder vergessen, wie sie hieß, sind doch irgendwie eh alle gleich.

Es ist ein ausgesprochen gutes Buch darüber, wie ein Mensch mit seiner schlichten Botschaft „seid lieb“ und seiner aufrichtigen, furchtlosen, den Menschen zugewandten Haltung aneckt, Menschen verwirrt, nicht ins Schema passt.

Was mich ein bisschen stört, ist das heftige Gefluche, das sich durchs ganze Buch zieht. Aber wer Jesus als Rock-n-Roller (wieder) auf die Welt kommen lässt, der muss ihn wohl auch so beschreiben. Und seinen Vater noch dazu: Im Himmel wird gekifft, geflucht und eigentlich den ganzen Tag gefeiert. Was das Feiern angeht, bin ich dabei. Beim Kiffen und Fluchen weiß ich ja nicht so recht, aber bitteschön, es passt ins Setting. Und man gewöhnt sich mit der Zeit daran.

Kurz nun doch ein bisschen was zur Geschichte: Gott hat mal kurz vierhundert Erdenjahre Urlaub gemacht. In dieser Zeit ist auf unserer schönen Erde so ziemlich alles schiefgegangen. Sie wissen schon: Kolonialisierung, Ausbeutung, Holocaust, Umweltzerstörung, Hunger. Und dazu die vielen Menschen, die andere im Namen der Religion unterdrücken, seien es nun Schwule oder beispielsweise AIDS-Kranke oder überhaupt alle, die von der Norm abweichen. So viel Hass im Namen der Liebe! Hier bekommen wir Christen, ganz besonders aber die katholische Kirche, unbarmherzig und mit harten Worten den Spiegel vorgehalten. Gott ist es in diesem Buch egal, ob wir ihn anbeten, und er liebt Schwuchteln, aber er hasst es, wenn wir Menschen die einfache Regel „Seid lieb!“ nicht beachten. Und wer andere verachtet und hasst, nur weil sie anders sind, kommt in die Hölle.

Jesus muss nochmal auf die Welt kommen, um alles geradezurichten. Als kleiner, aber höchst begabter Rock-n-Roller schart er gescheiterte Menschen um sich: Drogenabhängige, Obdachlose, Menschen, die zu kurz gekommen sind im Leben. In besagter Casting-Show legt er einen kometenhaften Aufstieg hin, nutzt jede Gelegenheit, seine einfache Botschaft „Seid lieb!“ zu verbreiten. Natürlich muss das schiefgehen. Es geht genau so schief wie damals, vor 2000 Jahren. Ganz viele Parallelen zur damaligen Geschichte gibt es. Die zwölf Jünger. Maria Magdalena, auch wenn sie anders heißt. Die Tempelreinigung. Das letzte Abendmahl. Die Ostergeschichte. Viele andere Kleinigkeiten. Wie kann Jesus wirklich etwas bewirken, wo ihn doch die meisten für einen Spinner halten? Der Schluss des Buches lässt Platz für ein wenig Hoffnung. Vielleicht ist unsere Welt doch nicht ganz verloren.

Was soll ich von diesem Buch nur halten? Es hat mich berührt, es hat manchmal meinen Glauben beleidigt, aber wohl doch eher aus dem Antrieb heraus, uns zu einem „besseren“ Glauben zu ermuntern. Zu einem Glauben wie Jesus: Ohne jegliche Verachtung für andere. Den Menschen zugewandt, fröhlich, aufrichtig, furchtlos. Ist es vielleicht doch die beste Predigt, die ich seit langem gelesen habe?

Dass dieses Buch mich so ratlos zurücklässt, ist doch eigentlich ein gutes Zeichen, dass es etwas bewirkt hat. Bei vielen würde ich mir wünschen, dass sie es lesen und dass es bei ihnen etwas bewirkt. Außerdem, wie sagt Gott? „Seid lieb!“ Also gut, dann gebe ich diesem Buch fünf Kuschelpunkte.

Kuschelpunkte

Buchinformationen

 

John Niven: Gott bewahre, Taschenbuch, 400 Seiten, Heyne Verlag, ISBN: 978-3-4536-7633-6, 9,99 €

E-Book 8,99 €

Danke für die tolle, umfassende Rezension, der ich in fast allen Punkten zustimme: Abgesehen vom Gekiffe und Gefluche ein genialer Roman, dessen Inhalt auch ich gerne vielen Menschen nahelegen würde. 

Meinen Glauben sehe ich durch dieses Buch nicht verletzt, denn ich glaube an keine Kirche. Umso mehr interessiert es mich, wie Vertreter verschiedener Religionen über den Inhalt John Nivens „Gott bewahre“ denken. Leider habe ich im Netz nicht mehr dazu gefunden.