Vor dem Fest
Fürstenfelde in der Uckermark. Einwohnerzahl: sinkend. Das Dorf schläft, doch einige sind noch wach. Es ist die Nacht vor dem großen Fest, dem Annenfest, das seit Jahrhunderten immer ein besonderer Tag im Dorf war.
Manche sind noch wach. Herr Schramm zum Beispiel, der ehemalige NVA-Offizier, der nicht so recht weiß, ob er seinem Leben ein Ende setzen soll oder doch nur Zigaretten holen. Beides will ihm nicht so recht gelingen. Der Glöcknerlehrling, der seine Prüfung ablegen will – doch die Glocken hängen nicht mehr in der Kirche. Anna, die möglicherweise verbrannt werden soll, auf dem Scheiterhaufen, so wie es Brauch ist seit Jahrhunderten. Die Füchsin, die nach Eiern für ihre Kinder sucht und im Triumph dann doch scheitert. Zwei junge Männer, die immer in Reimen sprechen, erscheinen an wichtigen Wendepunkten. Ein Zigarettenautomat wird ermordet.
Geschichten und Sagen, historische Aufzeichnungen aus Jahrhunderten und die Phantasie verquicken sich mit dem Leben der heutigen Dorfbewohner. Alle versuchen, irgend etwas abzuschließen. Und doch bleibt alles offen.
Ich weiß nicht so recht, was ich von diesem Buch halten soll. Es erzählt keine Geschichte, sondern viele kleine Geschichten der Menschen, die hier leben und lebten. Es ist faszinierend und verwirrend. Es ist profan und poetisch. Es erzählt vom ganz normalen Dorfleben heute und von dem magischen Denken der Menschen vor Jahrhunderten, das sich bis in die heutige Zeit fortsetzt. Selbst die Sprache ändert sich von Kapitel zu Kapitel, je nachdem, um wen es sich gerade dreht. Reales und Irreales verschwimmen.
Wer ein schönes, unterhaltendes Buch zur Entspannung sucht, ist hier sicher fehl am Platz. Aber wer ein Gefühl für die magisch-mystische Welt bekommen möchte, die sich aus der Geschichte heraus über unser Leben spannt und immer noch in unser Leben hineinwirkt, der ist hier richtig. Wer ein Gefühl für das Leben auf dem Dorf in der Uckermark bekommen möchte, vermutlich auch.
„Vor dem Fest“ ist ein faszinierendes Heimatbuch aus der Uckermark, aber irgendwie eben doch ganz anders, als man so ein Heimatbuch erwartet. „Vor dem Fest“ ist ein Geschichtsbuch, ein Sagenbuch, ein Buch über Menschen, die irgend ein Ziel erreichen wollen – und es doch nicht schaffen.
Ich habe lange überlegt, ob ich diesem Buch volle Punktzahl geben soll. Aber: Ja. Es ist ungewöhnlich, es ist faszinierend, es ist bewegend. Fünf Kuschelpunkte.
Buchinformationen
- Saša Stanišić: Vor dem Fest, Taschenbuch, 320 Seiten, btb Verlag 2015, ISBN 978-3-4427-4989-8, 9,99 € (E-Book 8,99 €, gebundene Ausgabe 19,99 €)
- E-Pub auch als erweiterte Version für 10,99 € erhältlich. Sie enthält zusätzlich, vom Autor ausgewählt:
- - 6 Videolinks
- 27 zusätzliche Texte
- und viele Fotos
Vor dem Fest
Hallo Heiko, kennst du auch die anderen Bücher von ihm? Ich durfte ihn persönlich erleben. Er liest so gut, wie er schreibt! Bald mal wieder auf deiner Seite hier. Bis dahin. Mehr über mich erfährst du auch auf www.wandelsinn.de